Sondergebiet Freiflächen-Photovoltaik-Anlage
Verfahren nach § 3 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB)
a) 93. Änderung des Flächennutzungsplanes ´80
b) Vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. X „Sondergebiet Freiflächen-Photovoltaik Anlage südlich Zum Eckelbusch“ der Stadt Lohne
Zusammenfassung
Die Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG (PHW/OGS/Wiesenhof) plant den Bau einer 2,5 ha großen Freiflächen-Photovoltaikanlage (FF-PV) hinter dem bestehenden Schlachthof in Lohne. Der erzeugte Strom soll im Schlachthof genutzt werden. Dies erfordert die Löschung eines Teils des Landschaftsschutzgebietes LSG Nr. 32: Geestrücken mit seinen Waldbereichen zwischen Vechta und Steinfeld.
Die Bürger sind zu Recht besorgt über den Ausbau der Freiflächen-Photovoltaik. Eine bedenkenlose Löschung eines Teils eines LSG zu diesem Zweck wäre inakzeptabel. Bedenklich ist auch das Fehlen einer politischen Strategie, die den Ausbau dieser Technologie in Lohne explizit steuert. Dennoch sieht der NABU in Lohne Potenziale, den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Schutz des Landschaftsbildes und der Optimierung des Naturwertes der betroffenen Flächen zu verbinden.
Die Zustimmung des NABU zu dieser Teillöschung und diesem Plan wird von vier Maßnahmen abhängig gemacht: 1. von der Erweiterung des LSG um ein bestehendes gesetzlich geschütztes Biotop (§ 30-Biotop) am Bergweg/Ecke Brägeler Straße und dortigen Biotop-Pflegemaßnahmen (hierfür ist auch eine Änderung des bestehenden F-Planes notwendig), 2. von der Optimierung des Naturwertes der eigentlichen FF-PV-Fläche durch die Anlage eines trockenen, mageren Sandbodenstandortes mit Sandrasenvegetation, 3. der Schaffung eines Trittsteinbiotops auf der FF-PV-Fläche durch zwei voll besonnte Tümpel für die Zielart Kreuzkröte sowie möglichst auch 4. von der Wiederherstellung bzw. Sanierung einer weiteren Besenheidefläche in Brägel. Die Maßnahmen 1. bis 3. können vor Ort auf betriebseigenen Flächen von PHW/OGS/Wiesenhof erfolgen.
Unsere Stellungnahme
Dieses ist eine gemeinsame Verbandsstellungnahme vom NABU Niedersachsen sowie der NABU Kreisgruppe Vechta, vorgelegt von der NABU Ortsgruppe Lohne.
In dieser Stellungnahme wird die Position des NABU zur geplanten Aufhebung eines Teilbereiches (2,5 ha) des Landschaftsschutzgebietes (LSG Nr. 32: Geestrücken mit seinen Waldbereichen zwischen Vechta und Steinfeld) dargelegt. In der Begründung der Stadt Lohne ist angegeben, diese Löschung sei nötig, um Raum zu schaffen für eine FF-PV-Anlage neben dem Geflügelschlachthof der Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG (Wiesenhof). Der erzeugte Strom soll direkt im Schlachthof genutzt werden. Als Ausgleich schlägt die Stadt Lohne vor, das LSG um 3,0 ha in einem Waldgebiet bei Ehrendorf in Lohne zu erweitern. Diese Fläche liegt ca. 8 km von der geplanten Löschung entfernt.
Wir stimmen mit der Stadt Lohne überein, dass die Substitution fossiler Energieträger eine gesellschaftliche Priorität ist, zu der alle beitragen müssen. Die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlage (FF-PV) Anlagen auf 2,5 ha in Lohne ohne ein politisches Rahmenkonzept oder eine Strategie für diese Technologie ist aber bedenklich. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Stadtverwaltung auf unternehmerische Aktivitäten reagiert, anstatt sie für optimale gesellschaftlich-politische Ergebnisse zu steuern. Die Herausforderung besteht in diesem Fall darin, die Erzeugung von erneuerbaren Energien mit dem Natur- und Landschaftsschutz in Einklang zu bringen vor dem Hintergrund eines stetig expandierenden Fleischverarbeitungsbetriebes.
Gesellschaftlich ist sehr stark umstritten, ob FF-PV-Felder in der freien Landschaft geduldet werden sollten, während das Potential an bereits versiegelten oder überbauten Flächen nicht ausgenutzt ist. Das Argument der PHW/OGS/Wiesenhof-Gruppe, dass der Einsatz von PV auf dem Parkplatz auf 1 MW begrenzt sei und die Fassaden nicht für PV geeignet seien, überzeugt nicht.
Wir sind auch besorgt über die lange Geschichte der mangelnden Transparenz bei der Entwicklung dieses Schlachthofs. Die PHW/OGS/Wiesenhof hat bereits am Betriebsstandort mehrfach ihre Baugrenzen auf Kosten des bestandskräftigen Landschaftsschutzgebietes ausweiten dürfen. So wurde eine Tiefkühlhalle voll im LSG errichtet und Wald hierfür gerodet. Auch östlich der Straße Am Grevingsberg wurden nachfolgend zugunsten des Industriebetriebes abermals Teilflächen des LSG formal gelöscht, ohne dass ein Ausgleich hierfür erfolgte. Laut PHW/OGS/Wiesenhof musste dort v.a. eine Abwasserreinigung zur Brauchwassernutzung errichtet werden, weshalb das LSG in Teilen gelöscht werden musste. Diese Anlage wurde bis heute nicht errichtet. Stattdessen werden große Flächen als Betriebsparkplatz zweckentfremdet. Der Betrieb fordert in Salamitaktik immer weitere Ressourcen auch des LSG ein, um auf bekanntermaßen begrenztem Standort betriebsbedingt dennoch expandieren zu können. Die Stadt scheint nicht in der Lage zu sein, diese endlose Ausdehnung einzudämmen, obwohl sie sich in der Vergangenheit dazu vorgenommen hat, dies zu tun. Es gibt zudem Zusagen des früheren Bürgermeisters H.-G. Niesel, dass keine weitere bauliche Erweiterung des Industriebetriebs mehr auf Kosten des LSG erfolgen würden, weil zuvor schon mehrfach Zugeständnisse und Zumutungen erfolgt wären. Diese kosten Vertrauen in die Kommunalpolitik.
Der Landkreis Vechta ist zuständig für die Sicherung und den Erhalt von Landschaftsschutzgebieten. Ohne dass vom Landkreis frühzeitig die anerkannten Naturschutzverbände unterrichtet wurden oder eine Abstimmung mit diesen erfolgte, leitet die Stadt Lohne bereits mit der 93. FNP-Änderung und dem Sonder-B-Plan X zwei Bauleitverfahren inmitten eines bestandskräftigen LSG ein und will eine erneute Teillöschung zugunsten der PHW/OGS/Wiesenhof durchsetzen. Aber LSG sind kein Bauerwartungsland, sondern zu achtende Schutzgebiete. Der Landkreis kommt hier erneut seiner Schutzverantwortung nicht hinreichend nach.
Der NABU schlägt daher vor, dass diese Entwicklung mit fundierten Maßnahmen zur Aufwertung des Naturwertes in Bezug auf das LSG und den Biotopverbund auf nahegelegenen Flächen kombiniert wird. Dies sollte nach Auffassung des NABU Vorrang vor der formalen, eher wenig zielführenden Erweiterung des LSG 32 um ein bereits bewaldetes Gebiet bei Ehrendorf haben.
Diese Neuausrichtung der unten genannten Kompensations- und Biotopverbundmaßnahmen ist eine Bedingung für unsere Zustimmung zur Teillöschung. Überwiegend kann die PHW-Gruppe diese auf eigenem Grund und Boden (Maßnahmen 1. bis 3.) dulden bzw. umsetzen, sie sind zudem naturschutzfachlich besonders sinnvoll, zumutbar und leistbar. Weiterhin sind sie ein vernünftiger Ausgleich für die Teillöschung und Überbauung des Geestrückens mit FF-PV. Aber auch die unter 4. aufgeführte Forderung wünschen wir als sinnvolle Ergänzung. Die vier Maßnahmen sind:
1. Das LSG sollte so erweitert werden, dass es das gesetzlich geschützte Biotop (§ 30-Biotop BNatSchG; Nummer: GB-VEC 3315/018) am Bergweg/Ecke Brägeler Straße voll umfasst. Nach unserer Kenntnis befindet sich diese Fläche im Eigentum der PHW/Oldenburger Geflügelspezialitäten GmbH & Co. KG (Wiesenhof). Diese Fläche ist im F-Plan der Stadt Lohne bereits seit Jahrzehnten als Gewerbegebiet dargestellt, ohne dass ein B-Plan hierfür ausgewiesen wurde, jedoch ist eine Überbauung aufgrund des Schutzstatus nach § 30 BNatSchG nicht möglich. Der seit Jahren durch Beschattung unter Druck stehende, artenreiche Sandrasen-Biotop muss dauerhaft von Gehölzaufkommen befreit und dann extensiv gepflegt werden. Hierfür sind mit der Naturschutzbehörde des Landkreises die notwendigen Pflegemaßnahmen abzustimmen und dauerhaft durchzuführen. Der dort bestehende Stubbenwall und die invasive Art Japanischer Staudenknöterich sind ebenfalls zu entfernen.
2. Der Naturwert des Standorts für die FF-PV selbst muss optimiert werden. Der Mutterboden unter den FF-PV-Paneelen ist abzuschieben und ggf. in eine randliche Verwallung einzubauen, die mit niedrigen, blütenreichen, heimischen Gebüschen bepflanzt sein sollte. Dieses ist zur Vorbereitung eines trockenen, mageren Sandboden-Standortes unter den Paneelen notwendig. Der Naturwert der gesamten Fläche sollte durch eine geeignete, niedrigwüchsige Wildpflanzensaatgutmischung verbessert werden. Der NABU fordert hier eine Regio-zertifizierte Sandmagerrasen- oder Sandheide-Mischung zu verwenden. Die Abstände und Höhe der Paneele sind so mit der Naturschutzbehörde zu wählen, dass auf Teilflächen eine hinreichende Besonnung der Bodenvegetation gegeben ist. Durch die neuen Magerrasen entstünde ein günstiges Umfeld als Trittsteinbiotop, das mit dem Betrieb dieser PV-Anlage gut verträglich sein könnte.
3. Im LSG Geestrücken bestehen bereits Naturschutz-Investitionen in Biotope und neue Trittsteinbiotope, die hier am Rand der FF-PV-Fläche ergänzt werden sollten. In der Osthälfte der FF-PV-Fläche ist gezielt ein voll besonntes Trittsteinbiotop für die Zielart Kreuzkröte (Bufo calamita) anzulegen in Form von zwei voll besonnten, vegetationsfreien Flachtümpeln, um einen ausstehenden Lückenschluss zwischen Vorkommen im Süden von Vechta und den Dammer Bergen zu erzielen. Diese periodisch nach starken Niederschlägen wasserführenden Tümpel dürfen nach mehreren Wochen wieder trockenfallen. Zwischenzeitlich kann sich hier die stark bedrohte FFH-Art künftig vermehren und die schütter wachsenden, besonnten Sandrasen unter der FF-PV als Teillebensraum nutzen.
4. Ein weiteres Element zur Stärkung des LSG ist auf einer mageren Parzelle mit trockener Sandheide gegeben, die ebenfalls nach Auffassung des NABU ein stark gefährdetes § 30-Biotop darstellt. Der NABU hat dieses § 30-Biotop dem Landkreis vor mehreren Jahren gemeldet und die förmliche Feststellung eingefordert. Dieses liegt auf einem Privatgrundstück an der Brägeler Str. 124 / Ecke Franz-Josef-Str. (Gemarkung Lohne, Flurstück 181/2 der Flur 19). Diese Heidefläche wurde jedoch zwischenzeitlich aufgeforstet, was das Biotop zunehmend stark gefährdet. Daher sehen wir die Notwendigkeit, diese Fläche dauerhaft wieder in eine Heidefläche zu entwickeln, indem die Aufforstung zurückgenommen und geeignete Pflegemaßnahmen durchgeführt werden.
Eine Anmerkung zur faunistischen Bestandserfassung in den ausliegenden Planungsunterlagen: Die Durchführung der Amphibienerfassung muss kritisiert werden. Die angewandte Methodik ist ungeeignet, nicht-rufende Amphibienarten überhaupt zu erfassen können. Hierzu hätten z.B. Reusenfänge durchgeführt werden müssen, um z.B. Molch-Arten feststellen zu können. Der NABU hält es daher für nicht ausgeschlossen, dass ein Teil des Artenspektrums aufgrund methodischer Mängel nicht erfasst wurden. Zudem erscheint uns fraglich, ob die dort genannte Art Seefrosch tatsächlich nachgewiesen wurde. Nach derzeitigem Kenntnisstand kommt die Art nicht mit hinreichender Sicherheit im Landkreis Vechta vor. Auch das Fundgewässer auf dem Geestrücken entspricht nicht den Habitatansprüchen. Die publizierten Verbreitungskarten zeigen für die Art hier in der Region bisher großräumig Verbreitungslücken.
Dr. Donal Murphy-Bokern
Vorsitzender
NABU Ortsgruppe Lohne
Ludger Frye
Vorsitzender
NABU Kreisgruppe Vechta e.V.
18. September 2024